Karrierewege in der Steuerverwaltung Rheinland-Pfalz
Aus der Kanzlei in die Steuerverwaltung
Ein beruflicher Neuanfang nach mehr als zehn Jahren Berufserfahrung
Die Landesamt NACHRICHTEN fragen nach:
Geza Reuter-Will (37) und Jan-Frederik Ernemann (40), beide derzeit in ihrer Einweisungszeit als Regierungsräte der Steuerverwaltung, verfügen bereits über mehr als zehn Jahre Berufsverfahrung als angestellte Rechtsanwälte. Doch beide hatten, trotz interessanter und erfolgreicher Aufgaben in verschiedenen Kanzleien, sie als Fachanwältin für Steuerrecht in der Beratung nationaler und internationaler Mandanten insbesondere in den Bereichen Steuerrecht und Gesellschaftsrecht, er als Fachanwalt für Familien- und Strafrecht überwiegend im Bereich Strafverteidigung, den Wunsch nach Veränderung verspürt.
Was waren Ihre Beweggründe für den Wechsel in die Steuerverwaltung nach über zehn Jahren Rechtsanwaltstätigkeit?
Ernemann: Mich hat schon immer eine Tätigkeit gereizt, die mehr wirtschaftliche Bezüge hat. Auch wenn mein alter Beruf als Strafverteidiger spannend war, so habe ich weiter nach einem Weg gesucht, mich beruflich in diese Richtung zu entwickeln. Die Steuerverwaltung bietet hier ein sehr breites Spektrum.
Reuter-Will: Ich war auch bislang bereits im Steuerrecht tätig, allerdings auf der anderen Seite als Beraterin für Steuergestaltung. Das war nicht mehr das, was ich machen wollte.
„Gelebte Willkommenskultur“
Sie mussten, obwohl Sie schon erfahrene Juristen sind, das Trainee-Programm in unserer Steuerverwaltung durchlaufen: Wie haben Sie das erlebt und was waren die größten Herausforderungen?
Reuter-Will: Ehrlich gesagt, war das schon ein komisches Gefühl. Gerade in den ersten Wochen des Trainee-Programms, wo man noch keine eigene Aufgabe hat, sondern nur daneben gesessen und viel zugehört und zugeschaut hat. Das war merkwürdig, so unproduktiv zu sein. Aber mit der Übernahme eines Probe-Sachgebiets hat sich das geändert – da hatte ich das Gefühl, ich habe meine Aufgabe und bin angekommen.
Ernemann: Der Aspekt, dass man in seinem vorherigen Berufsalltag Routine hatte, die einem Sicherheit gab, fehlte – auch wenn einem überall in jeder Station, die wir durchlaufen hatten, sofort das Gefühlt vermittelt wurde, willkommen zu sein. Wir hatten anfangs ja auch eine Art „Welpenschutz“. Doch so richtig angekommen und schlauer waren wir erst nach den Lehrgängen. Anfangs war es schwer greifbar, was ich als Sachgebietsleitung alles machen muss, wie mein Tagesgeschäft aussieht.
„Das Mentoring ist sehr hilfreich“
Ernemann: Ich halte das Mentoring, dass es in Rheinland-Pfalz im Rahmen des Traineeprogramms gibt, hier für extrem wichtig. Die Mentoren haben uns zum Beispiel in die SGL-Runden eingeführt und so dazu beigetragen, dass wir uns als ein Teil der Runde fühlten. Bei den Mentoren konnten wir auch nachfragen, wie so die Gepflogenheiten und das Zusammenarbeiten untereinander sind. Ich empfand die Tatsache, dass allen neuen Regierungsräten ein Mentor zur Seite gestellt wird, als sehr gute Unterstützung – auch und gerade für so ganz profane Sachen, wie die Reisekostenabrechnung (lächelt).
Reuter-Will: Das kann ich nur unterstreichen.Mein Mentor kam auf mich zu, hat mich immer wieder gefragt, ob ich Infos oder Hilfe benötige und war immer ansprechbar. Da er selber erst einige Monaten zuvor sein Einweisungsjahr beendet hatte, wusste er zudem auch noch sehr genau, welche Fragen man zu Beginn hat.
Wenn Sie beide jetzt rückblickend auf Ihren bisherigen beruflichen Alltag schauen, wie muss man sich diesen vorstellen? Schildern Sie uns kurz einen typischen Kanzlei-Alltag.
Reuter-Will: Ich war in der Kanzlei in der Gestaltungsberatung tätig. Hier habe ich – meist im Team – große Projekte über viele Wochen und Monate betreut, von Unternehmenskäufen und –verkäufen bis hin zu Umstrukturierungen. Wir hatten nicht viele Fristen, da die Projekte meist langfristig bearbeitet wurden. In schwierigen rechtlichen Fragen war ich auch in Prozesse vorm Finanzgericht involviert, da waren aber Einzelfälle.
Ernemann: Mein Arbeitsalltag bestand aus vielen fremdbestimmten Terminen: morgens beim Eintreffen in der Kanzlei galt es immer zunächst ein Termin-Update zu machen, oft musste ich sehr kurzfristig Termine wahrnehmen und Schriftsätze verfassen. Diese wurden diktiert – nun tippe ich sie selbst in den Computer - auch etwas, was anfangs für mich in der Steuerverwaltung neu war (schmunzelt).
An durchschnittlich drei von fünf Tagen musste ich zu Gerichtsterminen, war immer in Bewegung – nachmittags, zurück in der Kanzlei, musste dann der Schriftverkehr erledigt werden. Und für die Mandanten stand ich auch bis spät in den Abend und am Wochenende, zum Beispiel, wenn ein Haftbefehl im Raum stand, zur Verfügung. Man ist Dienstleister für die Mandanten. Es war spannend und hat sehr viel Spaß gemacht, da man das Resultat der eigenen Arbeit sofort sah, aber Beruf und Familie sind schlechter planbar.
Reuter-Will: Ein Stück weit muss man seine Dienstleistung „verkaufen“, teilweise ist es dann frustrierend, wenn man Mandanten berät und diese den vorgeschlagenen Weg nicht mitgehen.
Beide: Dieser Dienstleistungscharakter – man hat schließlich den wirtschaftlichen Druck, möglichst das gewünschte Ergebnis des Mandanten zu erreichen – bedeutet auch immer ein Spagat, zwischen dem was realistisch oder rechtlich machbar und was gewünscht ist.
Reuter-Will: Ich habe festgestellt, dass ich eher auf der anderen Seite stehen möchte – also mit meinem rechtlichen Wissen dazu beitragen möchte, dass der Staat mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet ist und weniger dazu beizutragen, steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zu finden. Für mich ist es eine große Motivation, eine sinnstiftende Tätigkeit auszuüben.
Kanzlei versus Verwaltung: Nennen Sie uns mit einigen Schlagworten die größten Unterschiede und was für die Verwaltung spricht.
Beide:
- Work-Life-Balance
- Breites Aufgabenspektrum
- Größere Entwicklungsmöglichkeiten
- Ermessenspielraum
- Juristischer Freiraum (freier in der juristischen Tätigkeit, da rechtliche Prüfungen eher losgelöst von wirtschaftlichen Zwängen und Mandantenzielen erfolgen)
- Teamgedanke
- Flachere Hierarchie
- Personalverantwortung: „Verantwortung als SGL für viele Menschen ist Herausforderung und Anreiz zugleich“
Sie haben nun einen Vergleich und kennen die Abläufe beider Tätigkeiten. Gibt es etwas, was die Steuerverwaltung von dem Kanzleialltag lernen kann?
Beide (lachend): Allenfalls die Digitalisierung.
Inwiefern lief es da vorher besser?
Ernemann: Prozesse, zu denen Anwälte schon länger gezwungen sind, wie das elektronische Anwaltspostfach, haben in der Steuerverwaltung erst begonnen. Die Kanzleien arbeiten auch schon länger mit der E-Akte. In der Verwaltung müssen hingegen immer noch viele Rollkoffer mit Papierakten von A nach B gefahren werden.
Reuter-Will: Ja, als Anwältin konnte ich ortsunabhängig arbeiten, da ich Zugriff, auf alle Akten hatte, da diese in der Kanzlei bereits elektronisch abgelegt wurden.
Vielen Dank für das offene Gespräch und Ihre Bereitschaft zum Interview, das wir in einer Art Serie auch auf unseren Social Media-Kanälen (Instagram: karriere.finanzamt; LinkedIn) veröffentlichen werden.
Das Interview führten Wiebke Girolstein und Jan Schuler